„Es gibt keinen guten Grund, noch länger zu warten!“

Die Mobilität befindet sich mitten im womöglich größten Wandel seit der Erfindung des Automobils: Dem Umstieg auf elektrische Antriebe. Uwe Schenk, Global Segment Manager eMobility & Renewable Energy bei der HELUKABEL GmbH, erklärt im Interview, welche Herausforderungen es dabei zu meistern gilt – und welche Rolle Kabel und Leitungen dabei spielen, die Branche voranzubringen.

White electric car in a parking lot at the charging station

Die Mobilität befindet sich mitten im womöglich größten Wandel seit der Erfindung des Automobils: Dem Umstieg auf elektrische Antriebe. (Quelle: © Bildwerk - stock.adobe.com)

Herr Schenk, die Stärkung der E-Mobilität gilt als wichtiger Baustein für die Erfüllung der Klimaziele. Wie beurteilen Sie den aktuellen Stand dieser Entwicklung in Deutschland und Europa?

Die E-Mobilität hat in Deutschland erstaunlich Fahrt aufgenommen. Die Automobilindustrie bietet mittlerweile eine breite Palette von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen an. Auch die Städte und Kommunen haben die Notwendigkeit, eine flächendeckende Ladeinfrastruktur zu schaffen, erkannt. Jedoch sind wir bei der Umsetzung noch immer im „Slow-Motion-Modus“ und noch lange nicht am Ziel.

Durch den Krieg in der Ukraine sind die Benzinpreise in den vergangenen Monaten stark gestiegen. Erhöht dies Ihrer Meinung nach auch den Druck auf die Automobilbranche und die Autofahrer, noch schneller als geplant auf E-Mobilität umzusteigen?

Die aktuelle Situation in Osteuropa legt auf schmerzliche Weise die Versäumnisse der Vergangenheit offen. Man spricht seit Jahren von einer Energiewende – bis dato war das aber nur eine leere Worthülse. Die Windenergie etwa ist entscheidend für die Realisierung der Energiewende, wurde jedoch sträflich vernachlässigt und muss reanimiert werden. Unser primäres Ziel muss sein, alle Fahrzeuge, die mit fossilem Brennstoff betrieben werden, zu substituieren. Besonders das Transportwesen ist immer noch zu stark von fossilen Energieträgern abhängig. Ein LKW verbraucht bis zu fünfmal mehr Diesel als ein PKW! Hier müssen wir die Umstellung auf Wasserstoffantriebe für den Fernverkehr und Elektroantriebe im Nahverkehr schleunigst umsetzen. Es gibt keinen guten Grund, noch länger zu warten.

Welche technischen oder organisatorischen Hürden gilt es bei der flächendeckenden Einführung der E-Mobilität hierzulande zu überwinden? Welche Länder sind Deutschland hier vielleicht schon voraus, und was können wir von diesen lernen?

Unüberwindbare Hürden sehe ich da nicht – aber es wird auch nicht einfach werden, eine flächendeckende E-Mobilität zu realisieren. Besonders in Städten und Ballungsgebieten wird es schwieriger sein als auf dem Land, denn nicht jeder kann hier sein Auto vor dem Haus parken und laden. Es gibt jedoch mittlerweile clevere Lösungen, Energie zur Verfügung zu stellen - zum Beispiel Energiespeichersysteme, mit denen sich dezentrale Lademöglichkeiten schaffen lassen. In erster Linie gilt es die Hürde im Kopf der Menschen zu überwinden, diese neue Technologie anzunehmen und von bestehenden Strukturen abzuweichen. Ein weiteres Hindernis ist der hohe Anschaffungspreis der Fahrzeuge: E-Autos müssen für die breite Masse auch bezahlbar sein. Die Automobilindustrie spricht aktuell Käufer der Mittel- und Oberklasse an, da muss dringend reagiert werden. Solange der Verbrenner erheblich günstiger ist, wird er auch gekauft. Es gibt einige Länder, die Deutschland bei der E-Mobilität voraus sind – und das sogar meilenweit. In den Niederlanden zum Beispiel ist ein bedeutender Teil des Personennahverkehrs in den Städten bereits auf Elektrobusse umgestellt. Da hinken wir stark hinterher und können uns von unseren Nachbarn in Sachen Zielstrebigkeit sicher einiges abschauen.

 HELUPOWER CHARGE cable for E-mobility
Ladeleitung von HELUKABEL vom Typ HELUPOWER Charge für die E-Mobilität (Quelle: HELUKABEL)

An welchen Stellen spielen Kabel und Leitungen in der E-Mobilität eine besondere Rolle? Wie können die passenden Kabel und Leitungen dazu beitragen, die Technologie voranzutreiben?

Besonders die DC-Ladetechnologie benötigt sehr hohe Ströme, die über eine Ladeleitung und den entsprechenden Stecker ans Fahrzeug übertragen werden. Grundsätzlich stellt das kein Problem für die Leitung da – allerdings ist diese in ihren Dimensionen durch die Größe des Steckers limitiert. Der Außendurchmesser der Leitung ist vorgegeben, und somit auch die maximalen Querschnitte der Kupferleiter. Leistungsstarke Ladesäulen werden deshalb mit aktiven Kühlsystemen ausgestattet. Die Kühlflüssigkeit wird durch die Ladeleitung geführt und kühlt dabei den Kupferleiter, so dass dieser höhere Ströme übertragen kann. Auch die Kontakte des Steckers werden durch diesen Kreislauf gekühlt, um die hohen Ströme auf kleinstem Raum zu übertragen. Für diese Technologie ist ein ausgeklügeltes Design der flüssigkeitsgekühlten Leitungen erforderlich.

Welche besonderen Anforderungen müssen Kabel und Leitungen in Anwendungen in der E-Mobilität erfüllen?

Technologische Fortschritte wären ohne eine nachhaltige Produktentwicklung von Kabeln und Leitungen nicht möglich. Bei nicht statischen Anwendungen ist es immer eine neue Herausforderung, elektrische Energie zu übertragen und eine störungsfreie Datenkommunikation zu realisieren. In der E-Mobilität sind die Ansprüche an Kabel und Leitungen sehr hoch: Die klassische Ladeleitung an der Ladesäule muss mechanisch sehr belastbar sein, über Jahre sicher funktionieren und häufigen Wechsel-Biegezyklen standhalten. Im maritimen Bereich gibt es Anwendungen, in denen Leitungen trommelbar und zugleich torsionsfähig sein müssen. Darüber hinaus gibt es Ladefunktionen, die über Energieführungsketten zugeführt werden.

Projekte in der E-Mobilität erfordern häufig komplexe Sonderlösungen. Was macht die Entwicklung solcher Spezialkabel für Sie besonders beeindruckend?

Durch unsere weltweiten Produktionsstätten sind wir in der Lage, gemeinsam mit unserem Kunden Sonderlösungen zu entwickeln und umzusetzen. Wir produzieren etwa komplexe Hybridleitungen, die zum Beispiel bei der Elektrifizierung von Flurfördergeräten eingesetzt werden – oder zwischen Leistungs- und Ladeeinheit, um die Installation der Ladetechnologie vor Ort so einfach und schnell wie möglich zu gestalten. Unsere Fertigungsmöglichkeiten von Leitungen mit Außendurchmessern bis 70 Millimeter, Querschnitten von 0,14 mm² bis 400 mm² und der Integration von BUS- und Lichtwellenleiter-Elementen sind für mich besonders beeindruckend.

Uwe Schenk in conversation
Uwe Schenk, Global Segment Manager eMobility & Renewable Energy bei der HELUKABEL GmbH: „Wenn der Klimaschutz und nicht die Gewinnmaximierung der Industrie im Vordergrund steht, dann wird’s auch was mit der E-Mobilität.“ (Quelle: HELUKABEL)

Wagen Sie einen Blick in die Glaskugel: Wie, denken Sie, sieht unsere Mobilität in zehn oder 20 Jahren aus?

Das Mobilitätsbedürfnis der Menschen ist ungebrochen und wird durch den bevorstehenden tiefgreifenden Wandel der Mobilität unbeeinträchtigt bleiben. Batteriebetriebene Elektromobile, Plug-in-Hybride und Brennstoffzellenfahrzeuge werden überwiegend das Straßenbild bestimmen – und viele davon werden bereits autonom unterwegs sein. Ich freue mich auf diese Entwicklung, auf eine geringere Geräuschkulisse und sauberere Luft. Wenn der Klimaschutz und nicht die Gewinnmaximierung der Industrie im Vordergrund steht, dann wird’s auch was mit der E-Mobilität.

E-Mobility application example at the headquarter in Hemmingen
HELUKABEL bietet ein breites Portfolio an Lösungen für die E-Mobilität und die Versorgung mit erneuerbaren Energien. (Quelle: HELUKABEL)
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